Matti

IN MEMORIAM:
Der Audio- und Akustikpionier Professor Matti Karjalainen ist von uns gegangen

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Professor Matti Karjalainen verschied in seinem Haus in Espoo am 30.5.2010 nach langer Krankheit. Er wurde am 2.4.1946 als erster Sohn in eine Kleinbauernfamilie im Dorf Halttula in Hankasalmi geboren. Mattis Schullaufbahn begann in der örtlichen Dorfschule er besuchte die Mittelstufe und die Oberstufe an der Gesamtschule von Lievestuore, wo er 1965 die Matura machte.

Bereits in seinen Gesamtschuljahren begann sich Matti für Elektromotoren und Radios zu interessieren. Am Ende der 50er Jahre kamen die ersten Transistoren auf den Markt, in denen viele Schuljungen dieser Zeit so wie Matti ein neues Hobby fanden. In den 50er Jahren wurden die Pop- und Rockmusik beliebt, und auch Matti begeisterte sich dafür. So wie andere Jugendliche verfolgte er die neuen Hits u.a. auf Radio Luxemburg. Am Anfang der 60er Jahre bekam Matti seine erste akustische Gitarre und Mundharmonika. So kam die eigene aktive Musikausübung in Gang, die sich ein Leben lang fortsetzte. Matti spielte selbst ein Instrument und er war ein aktiver Musikhörer in stilistisch vielfältigen musikalischen Ereignissen.

Auf die Technische Hochschule in Tampere

Im Herbst 1965 begann Matti seine Studien an der Technischen Hochschule Tampere TTKK,. Die Punktezahl bei der Aufnahmsprüfung hätte auch für Otaniemi (Standort der Technischen Hochschule Helsinki TKK) gereicht, aber Tampere wurde von Matti als der heimeligere Studienort empfunden.

Die TTKK hatte gerade ihren Betrieb als Nebenhochschule der TKK aufgenommen und zu den Aufgaben der Studierenden des ersten Jahrgangs gehörte u.a. den Betrieb der Hochschülerschaft in Gang zu bringen. Die Technikstudenten gründeten einen Radioklub, und Matti wurde darin ein Mitglied und ein Radioamateur der technischen Klasse. Matti entwarf auch für die Technikstudenten leistungsstarke Audiowiedergabegeräte. Im Herbst 1968 waren die Studien Mattis schon so weit fortgeschritten, dass es ihm gelang, seine erste Aufgabe an der Universität zu übernehmen: eine Assistentenstelle. Nachdem er zum Diplomingenieur graduiert worden war, legte Matti seinen Militärdienst im Nachrichtenregiment von Riihimäki im Jahr 1972 ab.

Das Jahr 1973 bildete einen Wendepunkt in der Karriere von Matti. An einem Wochenende im August machte man zur elektronischen Musik Versuche in den Räumlichkeiten des Elektronikinstituts der TH Tampere. In Zusammenhang mit den Versuchen entstanden u.a. in Analogtechnik realisierte geregelte Resonanzkreise, mit denen es gelang, an Sprache erinnernden Schall zu erzeugen. Als man das dem Vorstand des Instituts, Professor Boris Segerståhl, vorführte, fragte er, ob man damit auch eine ganz richtige Sprachsynthese bewerkstelligen könnte. Die Akademie Finnlands bewilligte für das Projekt ein kleines Startgeld, was den Anfang der sprachtechnologischen Forschung in Finnland im Frühjahr 1974 bedeutete. Jenes Jahr verging mit intensiver Entwicklungsarbeit und am Ende des Jahres gelang es dem Sythetisator bereits mit eigener Stimme um mehr Finanzierung bei der Akademie anzufragen!

Matti bekam von der TTKK den Posten eines Oberassistenten der Elektronik, und im Jahr 1974 schloss er als Lizentiat der Technischen Wissenschaften ab. Die Lizentiatsarbeit hatte mit Leistungselektronik zu tun. Zwei Jahre später verheiratete sich Matti Karjalainen 1976 mit Raija Vappu Valtari, und im nächsten Jahr wurde der erste Sohn der Familie geboren und einige Jahre später die Tochter.

Die Synthese des Sprachschalls

Die Erforschung und Anwendung der Sprachsynthese setzte sich in Tampere bis zum Jahr 1981 in einem fort. Zu diesem Zeitpunkt baute man die Sprachsynthetisatoren Synte 2 und Synte 3. Die Dissertation von Matti Karjalainen, die die Sprachsynthese behandelte, wurde im Oktober 1978 approbiert.

Synte 2 erregte weltweites Interesse, da es das erste jemals für irgendeine Sprache der Welt gebaute tragbare Gerät war, das aus unbeschränktem Text Sprache erzeugte. Diesen Entwicklungssprung ermöglichte ein gerade rechtzeitig auf die Märkte gekommener Einchip-Mikroprozessor, den es sofort anzuwenden gelang. Sprechende Maschinen waren als sie herauskamen eine kleine Sensation. Das Thema behandelte man in der Öffentlichkeit auch in Finnland ziemlich ausführlich, in den Zeitungen als Nachrichten und im Radio und Fernsehen als Interviews und Sachbeiträge.

Im Jahr 1980 kam die Übersiedlung nach Espoo, als er zum Außerordentlichen Professor für Akustik an der Fakultät für Elektrotechnik der Technischen Hochschule Helsinki TKK ernannt wurde. Als Matti im Laboratorium zu Otaniemi anfing, gab es nur eine einzige Assistentenstelle und einen Laborleiter. Platz gab es genug, aber die Geräteausstattung war hoffnungslos veraltet. Beinahe alles musste von Grund auf neu begonnen werden. Mit kleinen Schritten begannen Forschungsprojekte zu entstehen und die Ressourcen sich zu vermehren, und auch die Studierendenzahlen in den Kursen wuchsen an.

Unter der Leitung von Matti begann sich eine auf Sprachtechnologie spezialisierte Forschungslinie in der Universitätswelt zu entwickeln, die bemerkenswerter Weise schon in Gang kam, bevor es in Finnland ein derartiges Gebiet in der Industrie gab. Mit der digitalen Technologie für Mobiltelefone wuchs Anfang der 1990er Jahre dieses Forschungsgebiet kräftig und brachte das Know-How u.a. für den Bedarf von Nokia hervor. Die Erforschung der Sprachtechnologie setzt sich aktiv auf dem noch von Matti abgesteckten Weg an der Aalto-Universität fort.

Bei seinen Untersuchungen zur Sprachsynthese bemerkte Matti u.a., dass es keinem grundlegenden für Signale definierten Maß gelungen ist, die vom Sythetisator hervorgebrachte Sprachqualität anzugeben. Er erkannte, dass man für diese Aufgabe Computermodelle entwickeln musste, die das menschliche Ohr und Hörsystem abbilden. Eine derartige psychoakustische Modellbildung liegt zum Beispiel dem standardisierten PEAQ-Algorithmus (Perceptual evaluation of audio quality) oder den verlustbehafteten Audiokodierverfahren, wie z.B. MP3, zu Grunde. Matti setzte die psychoakustische Forschung bis zum Ende fort und nutzte diese Prinzipien in breiter Weise in verschiedenen Teilgebieten der Audiotechologie. Er schrieb zu diesem Thema auch ein finnischsprachiges Lehrbuch, das laufend in Gebrauch ist.

Die Synthese des Schalls von Musikinstrumenten

Matti interessierte sich auch für die Akustik von Musikinstrumenten und für die Synthese ihres Schalls auf möglichst authentische Weise. Die Akustik der Gitarre wurde untersucht und modelliert. Es entstand auch die weltweit erste wissenschaftliche Veröffentlichung, die die Akustik der Kantele behandelte. Darin wird erklärt, was im Aufbau der Kantele den für sie typischen, schön "klingelnden" Ton hervorruft. Daraus entwickelte sich eine von den aktiven Forschungslinien, die sich auf Audioeffekte sowie auf die zwischen Mensch und Maschine per Schall erfolgende Interaktion ausweitete.

Matti brachte auch die zur Modellierung, Aufzeichnung und Wahrnehmung von räumlichem Schall gehörende Forschung Anfang der 1990er Jahre in Gang, wobei die zwei daraus entstandenen Forschungsgruppen seine Forschungsarbeit fortsetzen.

Ein begeisterter und nachsichtiger Lehrer

Neben seiner Forschung zog Matti Karjalainen auch durch seine Lehrtätigkeit zahlreiche Experten der Akustik und Audiotechnologie in Finnland heran. In Otaniemi begann er als erster in Finnland mit Kursen auf Universitätsniveau, die sich auf die Kommunikationsakustik, die Programmierung von Signalprozessoren und die Techniken zur Sprachverarbeitung beziehen, die immer noch gehalten werden. In Folge der Jahrzehnte sind hunderte Studierende durch diese Kurse geströmt und so hat die Industrie dieses Gebiets eine die Audiotechnologie beherrschende Ingenieursgemeinde erhalten, u.a. den Bedürfnissen der Mobiltelephonindustrie angepasst.

In seiner Lehrtätigkeit betonte er, die Prinzipien des Lernens zu erlernen, und hielt es für wichtig, dass die Studien ausreichend breit gefächert sein sollten, um eine Grundlage für die vielfältigen Arbeitsaufgaben des Gebiets und für neue Forschungslinien abzugeben. Matti Karjalainen war während seiner Karriere betreuender Professor für 20 Doktorarbeiten und er leitete über 100 Diplomarbeiten an.

Im Lauf der Jahrzehnte hat Matti Karjalainens eifrige Arbeit und sein nicht enden wollendes Interesse an akustischen und psychoakustischen Phänomenen bemerkenswerte Früchte getragen. Matti hatte als Leiter ein großes Herz, er ließ alle zu sich kommen wie sie waren und half bescheiden und gut gelaunt, um einen jeden Jungforscher zu fördern. Seine aufrichtige Begeisterung steckte die anderen Forscher an und das Wachstum des Laboratoriums für Akustik erfolgte in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre explosionsartig. Man richtete drei neue Professuren auf den Gebieten der Sprach- und Audiosignalverarbeitung ein, und die Personalzahl stieg in die Nähe von 40. Neuerdings ist die Einheit als Teil dem Institut für Signalverarbeitung und Akustik verbunden, das zur Fakultät für Elektronik, Nachrichtentechnik und Automatisierungstechnik an der neuen Aalto-Universität gehört.

Internationale Anerkennung

Matti baute auch weitreichende internationale Beziehungen auf. Schon in der Mitte der 1970er Jahre begann er aktiv an den internationalen Konferenzen des Gebiets teilzunehmen und machte Forschungsbesuche bei Unternehmen und Forschungsinstituten von Universitäten u.a. in den USA. Zum Beispiel begründeten sich die guten Beziehungen zur Universität Stanford schon damals. Sie verstärkten sich noch weiter als Matti 1995 ein "Sabbatical" in Palo Alto verbrachte.

Als Auszeichnung des beträchtlichen Lebenswerks auf den Gebieten der Akustik und Audiotechnik wurden Matti Karjalainen mehrere Wissenschaftspreise zuerkannt. Er erhielt 1999 den Status eines Fellow der Audio Engineering Society (AES) und 2006 die Silbermedaille der AES. Ihm wurde der Ehrentitel IEEE Fellow im Dezember 2009 für das bemerkenswerte wissenschaftliche Werk zur gehörgerechten Modellierung und Verarbeitung von Audiosignalen zuerkannt.

Matti Karjalainen Fonds

Zur Vollendung seines 60. Lebensjahrs gründete Matti Karjalainen, der sich bereits damals seiner Krankheit bewusst war, einen Fonds, der seinen Namen trägt und der Unterstützung der Akustikforschung und insbesondere der begabten jungen Leute dient, die dieses Gebiet studieren. Mattis Botschaft ist, wenn die Motivation und die Begabung vorhanden ist, dann dürfen wirtschaftliche Faktoren keine Hürde bei der Wahl einer wissenschaftlichen Karriere und für ihren Fortschritt darstellen. Matti Karjalainens eigenes Leben ist dafür ein großartiges Beispiel. Die Ergebnisse seiner Kreativität, seiner Arbeit und seiner Gedanken kommen im Lauf seines Lebens in der finnischen so wie in der internationalen Wissenschaft hervor, zum Nutzen der Arbeitskollegen unseres Matti, zusammen mit neuen Studierendengenerationen und der ganzen Gesellschaft.

Matti Karjalainens Urne wird im Urnenhain von Gräsa in Stille unter Anwesenheit der engen Angehörigen verabschiedet. Sie können seines Lebenswerks mit einer Spende an den Matti Karjalainen Fonds gedenken:

Kontoinhaber: Akustinen Seura
Konto: Nordea IBAN FI9810113000205947
Verwendungszweck: Spende für den Matti Karjalainen Fonds

Die Forschungsgruppe für Akustik und Audiosignalverarbeitung wird stets ihren ehemaligen Leiter, ihren Freund und ihr Vorbild zutiefst vermissen.


Special thanks to: Professor Gernot Kubin, Graz, Austria for translation of the Finnish text.

 

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Modified: 15.06.2010
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